Streifzüge / Wędrówki
Jacek Jaśko - Streifzüge / Wędrówki
22.07-31.10.2021
Museum der Fotografie in Görlitz
Mit der Ausstellung der Fotografien von Jacek Jaśko Streifzüge / Wędrówki startete der Zyklus SATELLITEN. In lichtgefluteten, postindustriellen Räumen des Görlitzer Fotomuseums in der Löbauer Straße waren Bilder aus drei Zyklen zu sehen: Riesengebirge 20./21. Jahrhundert, Kopaniec – Un-Gedächtnis 1955-2005 und Kopaniec. Im Gehen 2020/21.
Kopaniec (Seifershau) ist ein malerisch am Fuße des Iser- und Riesengebirges liegendes Dorf, das 20 Jahre lang die Heimat und auch Wirkungsstätte von Jacek Jaśko war. Aktuell lebt der Künstler in Prag, kommt aber regelmäßig nach Kopaniec, auch als Fotograf.
Jacek Jaśko ist im Riesengebirge geboren und aufgewachsen, im Gebirge suchte er jahrelang nach „seiner“ Fotografie. Die Kritiker sehen seine Arbeiten inspiriert durch die Hirschberger Schule der Fotografie mit ihren großen Namen Ewa Andrzejewska und Wojciech Zawadzki.
Die in der Ausstellung präsentierten stimmungsvollen, Schwarz-Weiß-Fotografien entführten die Betrachter einerseits in eine zeitlose Landschaft der Berge, andererseits in die veränderbare Welt eines Dorfes. Für diese Aufnahmen wurde der Fotograf mehrfach auf der Biennale für Bergfotografie in Jelenia Góra (Hirschberg) ausgezeichnet
Begleitend zur Ausstellung wurde ein deutsch-polnischer Katalog (72 Seiten, Preis: 8 Euro) veröffentlicht, mit Textbeiträgen der Ausstellungskuratorin Romy Czimmernings und der Projektleiterin Agnieszka Bormann sowie mit einer großen Auswahl an Fotografien von Jacek Jaśko und seinem Kommentar. Der Katalog ist im Laden des Schlesischen Museums (Brüderstraße 8 in Görlitz) sowie online erhältlich.
„Im Gehen umarme ich die Welt bis zum Horizont. Die nächste, die wesentlichste und die wichtigste Umgebung. Gebirgslandschaft, Bäume, Weite, Zäune und Häuser münden in Zeitlosigkeit. Die ursprüngliche Landschaft. Meine Provinz, in der ich aufgewachsen bin, die ich für viele Jahre verlassen hatte, in die ich zurückgekehrt bin, um mich niederzulassen, mit dem Gedanken, es wäre für immer.
Fragmente, Bruchstücke, flüchtige Eindrücke. Es kommen ständig neue Fotografien dazu. Die meisten von ihnen werden wahrscheinlich nie das Licht der Welt erblicken. Aber ich erinnere mich an alle von ihnen. Sie bleiben in meinem Gedächtnis. Viele von ihnen werden mit den Jahren immer deutlicher. Ich erinnere mich an Momente des Erstaunens, der Freude und der überwältigenden Traurigkeit über etwas, was für immer weg ist. Es bleibt nur das, woran man sich erinnert, was im Gedächtnis gespeichert ist.
Und die Fotografie? Sie unterstützt lediglich die Erinnerung und inspiriert zu ständigen Streifzügen durch die immer größer werdenden Schichten des Gedächtnisses.
Gehen – intuitiv, in Bewegung. Es ist eine Übung darin, alles spontan und sofort in Echtzeit wahrzunehmen, zu erleben. So entstehen Zyklen ohne ein bestimmtes Programm, ohne zu viele Beziehungen zwischen den einzelnen Bildern. Jedes der Bilder kann einzeln bestehen, allein um seiner selbst willen. Die meisten von ihnen schweben jenseits der Zeit, ohne das Dogma des Hier und Jetzt.
Im Gehen bin ich Ich selbst, so erlebe ich die Welt. Unterwegs. Auf Streifzügen. Jeden Tag, und sei es nur für ein paar Augenblicke”.
Jacek Jaśko (Fragmente seines Textes im Ausstellungskatalog)
Zur Finissage der Ausstellung „Streifzüge / Wędrówki“ fand am 30. Oktober 2021 im Museum der Fotografie ein facettenreiches Künstlergespräch mit Jacek Jaśko statt. Er berichtete über seine Verbundenheit mit der Region des Iser- und Riesengebirges, über seine ästhetischen Prägungen und erzählte von Menschen, die als Vorbilder seinen künstlerischen Weg mitbestimmt haben.
Die ersten Lebensjahre verbrachte der spätere Journalist und Fotograf in der Hampelbaude (heute Schronisko Strzecha Akademicka) im Riesengebirge, später lebte die Familie in Karpacz (Krummhübel). Die frühe Liebe zur Landschaft und insbesondere zu den Bergen aber auch zur alten – in dem Fall aus der Vorkriegszeit – Architektur hat ihn nie wieder losgelassen. Bei der Berufswahl standen auch Grafiker und Buchbinder zur Debatte, schließlich wurde er Fotograf und Journalist.
Große Namen der Hirschberger Fotografie-Schule wie Wojciech Zawadzki und Ewa Andrzejewska wurden im Gespräch mehrmals genannt und ihr Einfluss auf ganze Generationen der Fotografen – so auch auf Jacek Jaśko. In den 1980er Jahren haben sie unterschiedliche Aktivitäten zur Popularisierung der Fotokunst initiiert und etabliert, darunter Biennale der Gebirgsfotografie, diverse Foto-Pleinairs sowie sog. Offene Lernanstalt für Fotografen (Wszechnica Fotograficzna), eine Plattform für Begegnung und Erfahrungsaustausch zwischen den etablierten und jungen Fotografen.
Ein wichtiges Thema war auch Jacek Jaśkos Lebenszeit in Kopaniec (Seifershau) und das Verhältnis zu diesem Ort im Laufe der Jahre. Den Wandel zwischen „emotional geladen und unkritisch“ bis hin zu „dokumentarisch“ konnte Jacek anhand der Fotografien aus unterschiedlichen Zeiten nachvollziehbar darstellen. Das Dorf Kopaniec ist auch Mittelpunkt des Filmes „Schlesiens Wilder Westen“ von Ute Badura, der anschließend im zweiten Teil der Finissage im Schlesischen Museum präsentiert wurde. Nach der Filmvorführung konnte Agnieszka Bormann mit Ute Badura und Jacek Jaśko sowie mit dem anwesenden Publikum ein intensives Gespräch führen. Der kluge, sensible und eindrucksvolle Film lieferte viele Ansätze für einen Austausch zu den Themen der deutsch-polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert und ihrer unterschiedlichen Wahrnehmung durch Deutsche und Polen, zum Begriff Heimat und dessen Facettenreichtum im Kontext der Vertreibungen.
In der Galerie sehen Sie unten Bilder von der Finissage im Fotomuseum (Fot. Axel Lange).