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Kopaniec

Exkursion nach Kopaniec - 18.09.2021

Seit dem 18. Jahrhundert war das Iser- und Riesengebirge eine zunehmend beliebte Inspirationsquelle für Künstler. Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich die Region zu einer wichtigen Künstlerlandschaft und wurde Teil einer europaweiten Kunstbewegung, die angesichts der rasanten Entwicklung der Industrie und der modernen Lebenswelt von der Hoffnung auf erneuernde Impulse aus dem Rückzug in die unberührte Natur getragen wurde.

Bekannt ist vor allem die Künstlerkolonie in Schreiberhau (Szklarska Poręba), die sich Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts um die Gebrüder Carl und Gerhart Hauptmann bildete und dank ihres kreativen Klimas schnell attraktiv auch für bildende Künstler, Komponisten, Freischaffende und Intellektuelle wurde. Das Erbe dieser Bewegung ist noch heute ein lebendiger Teil des Kunstschaffens zeitgenössischer polnischer Künstlerinnen und Künstler in der Region – so auch in Kopaniec (früher Seifershau). In den kleinen Ort im Isergebirge zogen in den letzten 20 Jahren neue Bewohner, darunter einige Künstler. Viele gehören der Vereinigung Nowy Młyn (Neue Mühle) an, die sich in der Tradition der alten, 1922 gegründeten Künstlervereinigung Lukasmühle sieht. Bei der Exkursion am 18. September besuchten wir Agata und Leszek Różański, Piotr Syposz und Jacek Jaśko.

Angefangen hat der ereignisreiche Tag in Kopaniec in der Galerie Kozia Szyja (Ziegenhals) von Agata und Leszek Różański. Sie befindet sich fast am Ende des Dorfes, hoch oben auf dem gleichnamigen Berg, im geräumigen Dachgeschoss eines alten Fachwerkhauses, gelegen gleich neben dem bilderbuchschönen Wohnhaus des Künstlerpaares. Die Galerie ist seit 2010 ein Arbeits- und Präsentationsraum – Keramikobjekte von Agata und Bilder von Leszek sind überall zu sehen. Auch Holz, Stein, Malerei, Grafik und Fotografie sind ihre Medien. Die Galerie ist auch ein Ort für Begegnungen und Workshops. Beide Häuser hat das Ehepaar – damals noch als Studenten – in den 1990er erworben. Nach dem Studium haben sie mit familiärer Hilfe begonnen, die Häuser zu sanieren, erst das Wohnhaus, dann das Gebäude mit der Galerie. Den Anfang und das Ankommen im Dorf begünstigte Leszeks Job – er wurde Lehrer für Kunst, Geschichte und Regionalkunde an der örtlichen Grundschule. Die Beschäftigung mit der deutschen und polnischen Geschichte des Dorfes und der Region wurde zu seiner Leidenschaft, der bis heute zahlreiche Aktivitäten, Vereinsmitgliedschaften, Textveröffentlichungen und zwei Bücher entsprungen sind – weitere sind in Planung.

Piotr Syposz betreibt seit 2003 die Galerie Wysoki Kamień (Hochstein) in Kopaniec. Dort präsentiert er seine letzten Arbeiten, vor allem Kunstfotografien und Keramikobjekte. Seine künstlerische Heimat ist eigentlich jedoch der Musikbereich, er komponiert eigene Musikstücke und bringt diese zur Aufführung. Oft kombiniert er Musik und bildende Kunst. Jahrelang beschäftigte er sich auch mit der Rekonstruktion bzw. dem Bau mittelalterlicher Musikinstrumente. Zusammen mit anderen Künstlern aus Kopaniec gründete er die mittelalterliche Gruppe „Cornu Cervi”. Sehr interessant ist auch die Geschichte des ungewöhnlichen Hauses, das er bewohnt. Gebaut im 18. Jahrhundert als Pferdepoststation und erweitert zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ist das Haus ein beeindruckender Zeitzeuge einer bewegenden Geschichte. Der herzliche Kontakt zu den letzten deutschen Besitzern des Hauses ermöglichte Piotr Syposz seine genaue Erforschung. Der Künstler bekam von ihnen auch eine Kostbarkeit – die handgeschriebene Chronik des Gebäudes aus der Vorkriegszeit.

Nach dem Galeriebesuch und Gespräch mit Piotr Syposz aßen wir zu Mittag an einem langen Tisch in seiner Taverne. Mit etwas Fantasie konnte man in dem kargen Raum mit ungeputzten Wänden das Gefühl bekommen, an einer fast mittelalterlichen Tafel zu speisen. Ein altes Gericht – Erbsen weich gekocht mit Kräutern – stand neben weiteren Köstlichkeiten auf dem Tisch und verstärkte dieses Gefühl…

Ein kleiner Spaziergang führte uns anschließend zum Haus des Fotografen Jacek Jaśko, Meister der Schwarz-Weiß-Fotografie, dessen Hausgalerie mit seinen Arbeiten wie auch mit Fotografien seiner Freunde reichlich bestückt ist. Darunter finden sich zahlreiche Fotografien, die in den Jahren 2007-2012 in sieben „Ausstellungen am Zaun des Dorfbürgermeisters“ präsentiert wurden. Ausstellungen am Zaun sind eine alte Idee von Jacek Jaśko. Ohne auf konventionelle Präsentationsformen in Galerien und Museen zu verzichten, zeigte er seine Fotografien von seinem Dorf im Dorf selbst, am Zaun des Dorfbürgermeisters, zwischen der Kirche und der einzigen Kreuzung im Ort, und brachte so die Kunst unmittelbar zu den Menschen.

Im Rahmen von SATELLITEN wurde diese Idee wiederaufgenommen und eine neue Ausstellung am Zaun mit dem Titel KOPANIEC 2021 ist entstanden. Die Eröffnung dieser Ausstellung war der letzte Programmpunkt der Exkursion. Die präsentierten Arbeiten stammen von 20 deutschen und polnischen Fotografen, Freundinnen und Freunden von Jacek Jaśko sowie Teilnehmern des deutsch-polnischen Foto-Pleinairs am 4. September 2021.

Die Ausstellung am Zaun KOPANIEC 2021 hat am Tag ihrer Eröffnung zahlreiche Gäste aus Nah und Fern angezogen. Unter ihnen waren in der Ausstellung vertretene Fotografen, Dorfbewohner, kunstinteressierte Menschen aus der Region, und als Stargast des Tages der bekannte und von Schlesienfreunden geliebte Maler, Schriftsteller und Schlesienkenner Henryk Waniek, auch ein Freund des Schlesischen Museums zu Görlitz.